Kräuterapotheke im Kleingarten: Vogelmiere
Die Vogelmiere blüht auch in milden Wintern und bleibt selbst unter einer Schneedecke grün. Allerdings ist die kleine Pflanze in vielen Gärten ein wucherndes Ärgernis. Dabei bietet die Vogelmiere viele Vorteile und ist in der kalten Jahreszeit nicht nur ein wichtiger Vitamin-Spender, sondern auch ein wirksames Heil- und schmackhaftes Küchenkraut. (Foto: Jan Haerer/Pixabay)
Vogelmiere hat schon Eiszeit überlebt
Im Winter machen Schnee und Eis das Sammeln von Wildkräutern oft unmöglich. Doch bereits die Neandertaler wussten, dass ein Kraut den widrigen Bedingungen trotzt und selbst unter einer Schneedecke frische Blätter und oft sogar Blüten ausbildet. Denn obwohl die Vogelmiere (Stellaria media) für viele Kleingärtner ein Ärgernis ist, gehört sie dennoch zu den Heilkräutern, die selbst im Winter frisch geerntet werden können. Das belegen auch Funde aus der letzten Eiszeit, die fossile Pflanzenteile der Vogelmiere zu Tage förderten. Doch trotz dieser langen Erfolgsgeschichte wurde das Heilkraut hierzulande erst im 19. Jahrhundert gewürdigt und fand Einzug in die von Sebastian Kneipp entwickelte Kneipp-Therapie.
Die Vogelmiere fühlt sich nicht nur im Gartenbeet, sondern auch in Wiese und Rasen wohl. (Foto: WikiMediaImages/Pixabay)
Die Vogelmiere gehört zu den Nelkengewächsen und bildet bis zu 40 cm hohe, meist liegende Stängel aus. Diese wachsen sehr dicht und bilden kleine Teppiche, die sich nicht nur im Rasen ausbreiten, sondern mit Vorliebe auch auf frisch aufgerissenen Böden. Die Pflanze liebt nährstoffreiche Untergründe und siedelt sich deshalb gern auf frisch vorbereiteten Gartenbeeten an, die noch nicht oder gerade eben frisch bepflanzt wurden. An den Standort selbst stellt sie jedoch keine großen Ansprüche und gedeiht sowohl in der Sonne als auch im Schatten, solange der Boden ausreichend feucht ist. Verbreitet ist das Kraut in ganz Europa, Amerika und Asien. Nur in Australien ist es noch nicht zu finden. Die Resistenz gegen widriges Wetter sorgt zudem dafür, dass die Vogelmiere in den Alpen und anderen Gebirgen zum Teil auf bis zu 2.700 Meter klettert.
Bis zu 15.000 Samen pro Jahr sorgen für schnelle Verbreitung
Die eiförmigen Blätter der Miere laufen Spitz zu, sind gestielt und gegenständig an einem runden, einreihig behaarten Stängel angeordnet. Diese Haarlinie und die runde Form des Stängels gelten auch als Erkennungsmerkmal, mit dem man die Vogelmiere von anderen Mierenarten oder dem Acker-Gauchheil unterscheiden kann. Im Sommer, aber auch bei milden Temperaturen im Herbst und Winter, bildet die Pflanze kleine sternenförmige weiße Blüten aus, die um eine kleine, meist grüne Kapsel angeordnet sind. Wer genau hinschaut, erkennt in der Mitte zudem bis zu zehn Staubblätter mit violetten Staubbeuteln. Die kleinen Blüten sind bei Insekten weniger beliebt, die Vogelmiere bestäubt sich daher vorrangig selbst. Und das mit viel Erfolg. Denn pro Jahr kann sie so bis zu 15.000 Samen und bis zu drei Generationen ausbilden.
Dadurch zählt die Vogelmiere bei vielen Kleingärtnern zu den Unkräutern, ist jedoch nicht nur ein wohlschmeckendes Küchenkraut, sondern auch ein wichtiges Heilkraut. Denn ihr werden schmerzlindernde und schleimlösende Eigenschaften zugesprochen. Ebenso soll sie den Blutdruck und den Cholesterinwert senken, harntreibend, entzündungshemmend und antiviral wirken. In der Volksmedizin wird sie daher bei Erkrankungen der Atemwege, bei Blasenentzündung, Kopfschmerzen, Rheuma, Leberbeschwerden und Krämpfen eingesetzt. Selbst bei Ekzemen und Ausschlägen soll eine Creme oder ein Umschlag Linderung verschaffen.
Vogelmiere in der Heilkunde
Doch auch ohne medizinische Indikation ist der Genuss von Vogelmiere zu empfehlen. Denn das Kraut enthält einen hohen Vitamin-C-Gehalt und andere wichtige Nährstoffe. So decken 50 Gramm frische Vogelmiere bereits den täglichen Vitamin-C-Bedarf eines Erwachsenen. Im Vergleich zu Kopfsalat enthält Vogelmiete zudem doppelt so viel Calcium, dreimal so viel Kalium und Magnesium und siebenmal so viel Eisen. Statt im Winter Kopfsalat im Supermarkt zu kaufen, lohnt sich also der Weg in den Garten und das Ernten der meist wild wachsenden Vogelmiere. Da diese selbst unter einer Schneedecke grün bleibt und bei milden Temperaturen frische Triebe ausbildet, steht der kleine Vitamin-Spender ganzjährig frisch zur Verfügung. Kein Wunder also, dass die Vogelmiere in der Vergangenheit eine wichtige Vitaminquelle in der kalten Jahreszeit war.
Aktiv anbauen müssen die meisten Kleingärtner die Pflanze nicht. Durch die gärtnerische Tätigkeit siedelt sich das Kraut meist automatisch an und kann so in einer Ecke des Gartens kultiviert und immer wieder geerntet werden. Viel dafür tun müssen Gärtner in der Regel nicht. Die Vogelmiere wächst von allein und breitet sich durch ihr vielen Samen rasch aus. Wer will, kann Vogelmiere auch als Saatgut kaufen und aktiv anpflanzen. Vor allem Besitzer von Kanarien- und anderen Ziervögeln schätzen die Miere als Futterpflanze. Diese Beliebtheit bei Vögeln hat ihr auch den Namen Kanarienkraut eingebracht.
Neben dem genannten hohen Vitamin- und Nährstoffgehalt besitzt die Vogelmiere Polysaccharide (Schleimstoffe), Flavonoide, Saponine, Zink, Oxalsäure, Phytoöstrogene, Kieselsäure und ätherische Öle. Der Geschmack der frischen Triebe und Blätter erinnert an Erbsen. Dabei sind alle Pflanzenteile essbar und nicht giftig. Allerdings ist durch den hohen Saponingehalt vom Verzehr zu großer Mengen abzuraten. Obwohl Saponinen zahlreiche positive Eigenschaften zugeschrieben werden, kann ein zu hoher Konsum auch Nebenwirkungen haben. Zum Beispiel einen hohen Blutdruck, Unwohlsein oder eine allergische Reaktion. Deshalb sollten Schwangere ganz auf Vogelmiere verzichten und sich empfindliche Menschen vorsichtig an das Kraut herantasten.
Kanarienkraut bei Vögeln beliebt
Wer die Vogelmiere in der heimischen Kräuterapotheke einsetzen möchte, kann die Pflanze entweder ganzjährig frisch ernten oder getrocknet auf Vorrat lagern. Als Tee wirkt die Miere bei Erkältungen gegen Husten und sorgt durch ihre schleimlösende Eigenschaft für eine schnelle Linderung. Diese kann zudem bei Magen-Darm-Beschwerden helfen. Ein Auszug oder Umschlag auf der Haut soll zudem bei Entzündungen und Ausschlägen wirken und diese nicht nur lindern, sondern auch für ein schnelleres Abheilen sorgen. Auch bei Rheuma oder Arthritis können Umschläge wohltuend sein. In der Kneipp-Therapie gilt die Vogelmiere als Lungenkraut und wird bei Husten, Asthma und anderen Lungen- und Bronchialleiden eingesetzt. Außerdem bei Blasen- und Nierenverschleimung sowie bei Rheuma und Gicht. Wie immer gilt jedoch: Sollten sich die Beschwerden nicht bessern oder gar verschlimmern suchen Sie bitte einen Arzt auf. Die hier vorgestellten Kräuter und ihre Anwendungen ersetzen keine ärztliche Therapie.
Im Volksglauben gilt die Vogelmiere neben ihren gesundheitsfördernden Eigenschaften auch als Zeigerpflanze. Denn wenn sich die kleinen Blüten im Sommer gegen 9 Uhr öffnen, soll es ein schöner Tag werden. Bleiben sie hingegen geschlossen droht Regen. Und wer sie am Johannistag um Punkt 12 Uhr Mittag beim Läuten der Glocken an allen vier Hausecken herausreist, der soll das wuchernde „Unkraut“ endgültig aus dem Garten verbannen können. Der Name stammt im Übrigen von der Beliebtheit bei Vögeln ab. Denn die zahlreichen Samen, die die Pflanze im Jahresverlauf bildet, dienen vielen Wildvögeln als Nahrung. Daher bietet das Kraut nicht nur dem Gärtner als Heil- und Küchenkraut viele Vorteile, sondern sorgt auch aktiv für die Artenvielfalt. Zudem verhindert sie auf offenen Böden die Austrocknung und Erosion und ist ein optimaler Mulch für brachliegende Flächen im Garten.
Achtung:
Der Anbau von Kräutern und Heilpflanzen zählt nur in geringem Maß zur kleingärtnerischen Nutzung gemäß der sächsischen Rahmenkleingartenordnung. Vorrang sollten immer Obst- und Gemüsepflanzen haben.
Carmen Kraneis
Steckbrief: Vogelmiere
Name | Stellaria media, auch Hühnerdarm, Hustdarm, Sternenkraut, Chickweed, Kanarienkraut |
Familie | Nelkengewächse (Caryophyllaceae) |
Verbreitung | Weltweit; ursprünglich in Europa und Nordafrika heimisch |
Standort | nährstoffreiche Böden mit ausreichend Feuchtigkeit; sowohl sonnige als auch schattige Standorte |
Aussehen | niedrige krautige Pflanze mit eierförmigen, spitz zulaufenden Blättern und kleinen weißen Blüten, die bei milden Temperaturen ganzjährig auftreten |
Essbarkeit | ungiftig; verwendet werden die oberirdischen Pflanzenteile |
Verwendung | Heil- und Gewürzpflanze; als Tee, Tinktur, Umschlag, Salbe oder Öl oder in Salaten, Pestos und Co. |
Wirkung | entzündungshemmend, schleimlösend, antioxidativ, adstringierend, harntreibend, antiviral, Cholsterin- und Blutdrucksenkend |
Anwendung | bei Husten und Erkältungen, Magen-Darm-Beschwerden, Gicht und Rheuma, Ausschlägen, Wunden und Ekzemen, Kopfschmerzen und Krämpfen |
Darreichung | frische oder getrocknete Blätter und Blüten; als Tee, Tinktur, Öl oder ähnliches |
Unsere Rezeptecke
Vogelmiere-Tee | 2-3 EL frische Blätter (und ggf. Blüten) der Vogelmiere mit 250 ml kochendem Wasser übergießen und zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen. Durch ein Sieb geben und Tee warm bei Husten und Erkältung, aber auch bei Blasen- und Nierenproblemen oder Schmerzen in kleinen Schlucken trinken. Achtung: Nicht mehr als dreimal täglich. |
Vogelmiere-Salbe | Eine Handvoll frische Vogelmiere-Blätter säubern und einen halben Tag antrocknen lassen. Anschließend zerkleinern, in ein hitzebeständiges Gefäß geben und das Kraut mit 250 ml Olivenöl (Alternativ Mandelöl) bedecken. Gefäß in ein Wasserbad stellen und bei mittlerer Hitze (ca. 50 Grad Celsius) etwa eine Stunde ziehen lassen (nicht kochen). Gemisch nun durch ein Sieb abseihen und mit 20 g geschmolzenen Bienenwachs und 50 g Sheabutter (gibt es bspw. in der Apotheke) mischen. Salbe rühren bis sie abgekühlt ist. Auf Wunsch 10 Tropfen Lavendel- oder anderes ätherisches Öl hinzugegeben. Anschließend in ein verschließbares Gefäß abfüllen und kühl und dunkel lagern. Hilft bei Ausschlägen, Neurodermitis, kleinen Wunden, Sonnenbrand und ähnlichem. |
Vogelmiere-Umschlag | Eine Handvoll frische Vogelmiere-Blätter waschen und trocknen. Danach mit einem Nudelholz in einem sauberen Küchentuch leicht andrücken und in das Tuch einschlagen. Dieses auf die zu behandelnde Hautstelle legen und mit einem Verband befestigen. Nach etwa 20 Minuten entfernen. Hilft bei Schwellungen, Entzündungen und Ausschlägen. Einmal am Tag anwenden. |
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