Kräuterapotheke im Kleingarten: Spitzwegerich
Der recht anspruchslose Spitzwegerich wächst auf fast jedem Boden, mag jedoch keine Staunässe. Foto: Cornerstone/pixelio.de
Ein „Wegweiser in das Land der Toten“
Kaum eine Pflanze wird über verschiedene Kulturen hinweg so stark mit dem Reich der Toten in Verbindung gebracht wie der Spitzwegerich. Für die Kelten galt die Pflanze als Wegweiser ins Land der Toten, die Germanen wiederum sahen in ihr die Verkörperung von aus der Unterwelt aufgestiegenen Seelen. Auch die alten Griechen und Römer verbanden den Spitzwegerich mit der mythischen Unterwelt Hades (Griechen) und Orcus (Römer). Die beiden antiken Hochkulturen verehrten mit dem Kraut Persephone (römisch Proserpina), die Göttin der Fruchtbarkeit, die der Gott der Unterwelt in sein Reich entführte und die seitdem an dieses gebunden war. Allerdings durfte sie für die Hälfte des Jahres ihre unfreiwillige Heimat verlassen und wieder auf der Erde wandeln – und damit im Frühjahr und Sommer für neues Leben und Pflanzenwachstum sorgen. Musste sie zurück zu ihrem dunklen Gemahl, starb auch das Leben auf der Erde – und Herbst und Winter zogen ein.
Spitzwegerich (Plantago lanceolata) gehörtzu den wintergrünen Pflanzen und wird bis zu 50 cm hoch. Die schmalen Lanzettblätter sind um eine grundständige Rosette angeordnet und an ihren bis zu sieben Längsnerven erkennbar. Während der Blüte sind die Blätter behaart, werden danach aber wieder kahl. Der markante ährige Blütenstand bildet sich ab Mai und steht auf einem langen fünffurchigen Stil. Die Blüten-Ähre selbst wird bis zu 8 cm hoch und bildet eine bräunliche röhrenförmige Mitte aus, die von zahlreichen kleinen weißen Blüten und Staubfäden umrahmt wird. Je nach Witterung blüht der Spitzwegerich bis in den September hinein.
Die Pflanze wächst mit Vorliebe an Wegrändern, auf Wiesen, Weiden und in Parkanlagen. Man geht davon aus, dass der Spitzwegerich von den Germanen bewusst entlang wichtiger Reiserouten gepflanzt wurde, da er dort schnell bei Blasen und wunden Füßen verfügbar war. Denn äußerlich angewendet wirkt das Kraut antibakteriell, adstringierend, schmerzlindernd, abschwellend und entzündungshemmend und kann nicht nur bei Blasen an den Füßen angewendet werden, sondern auch bei Insektenstichen, Verbrennungen, Ausschlägen und Wunden. Innerlich gehört der Spitzwegerich zu jenen Kräutern, die gegen Husten, Bronchitis und Katarrhe der Atemwege sowie bei Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut und des Magen-Darm-Trakts helfen. Hier soll er zusätzlich harntreibend und schleimhautschützend wirken sowie den Auswurf unterstützen. Das liegt unter anderem an den enthaltenen Schleim- und Gerbstoffen sowie an Iridoiden, Aucubin und Kieselsäure. Hinzukommen Kalium, Zink und verschiedene Vitamine wie Vitamin B und Vitamin C.
Spitzwegerich ist eine anspruchslose mehrjährige Pflanze
Wer Spitzwegerich im eigenen Garten anbauen will, kann ihn ab März oder im Spätsommer aussäen. Denn durch ihre recht langen Wurzeln lässt sich die Pflanze schlecht im Topf kultivieren und ist daher nur selten als Jungpflanze im Handel zu finden. Sie ist anspruchslos und gedeiht auf so gut wie jedem Boden, mag jedoch besonders frische und humose Böden. Sie bevorzugt sonnige bis halbschattige Standorte und kommt auch mit größerer Trockenheit zurecht, mag jedoch keine Staunässe. Schnee und Frost können dem Spitzwegerich nur wenig anhaben, sodass die grünen Blätter oft auch über den Winter hinweg zu sehen sind. Wer bereits Spitzwegerich besitzt, kann ihn durch Teilung vermehren oder am Ende der Blüte die Samen herausklopfen (am besten, bevor sie sich dunkel färben) und diese aussäen.
Verwendet werden die Blätter des Spitzwegerichs, die bis in den Herbst hinein geerntet werden können. Dafür können einzelne Blätter, aber auch die ganze Pflanze über der Wurzel abgeschnitten werden. Danach treibt diese mit jungen Blättern wieder aus. Es empfiehlt sich, diese jungen Blätter zu verwenden, da in ihnen die höchste Wirkstoffkonzentration vorhanden ist. Außerdem werden die Blätter schnell zäh. Frisch oder getrocknet können diese als Paste direkt auf einem Wespenstich oder zum Beispiel als Tee angewendet werden.
Übrigens: Die indigene Bevölkerung Amerikas nannte den Spitzwegerich auch „Fußtritt des weißen Mannes“. Denn vor dem 15. und 16. Jahrhundert war die Pflanze nur in Europa und Nordafrika verbreitet, wurde von den Eroberern und Siedlern jedoch in die „Neue Welt“ eingeschleppt – oft unbemerkt an Schuhsohlen und Wagenrädern. Durch seine Anspruchslosigkeit begann der Spitzwegerich anschließend an allen Orten zu wachsen, auf die „der weiße Mann seinen Fuß gesetzt hatte“.
Achtung:
Der Anbau von Kräutern und Heilpflanzen zählt nur in geringem Maß zur kleingärtnerischen Nutzung gemäß der sächsischen Rahmenkleingartenordnung. Vorrang sollten immer Obst- und Gemüsepflanzen haben.
Carmen Kraneis
Steckbrief: Spitzwegerich
Name | Plantago lanceolata, auch Heil- oder Wundwegerich, Lungenblatt oder Schlangenzunge, Aderkraut oder Wegekraut |
Familie | Wegerichgewächse (Plantaginaceae) |
Verbreitung | ursprünglich in Europa und Nordafrika heimisch; heute auch in Amerika und Australien üblich |
Standort | frische, humose Böden ohne Staunässe; sonnige bis halbschattige Standorte in Wiesen, an Wegrändern und Parks |
Aussehen | krautige Pflanze mit grundständiger Rosette und lanzettförmigen Blättern mit bis zu sieben Längsnerven, z.T. behaart; bräunlicher ähriger Blütenstand mit kleinen weißen Blütchen und Staubfäden |
Essbarkeit | alle Pflanzenteile sind essbar und ungiftig; verwendet werden in der Regel die Blätter |
Verwendung | Heil- und Wildpflanze; als Tee, Sirup, Tinktur oder äußerlich als Umschlag |
Wirkung | antibakteriell, entzündungshemmend, adstringierend, schmerzlindernd und blutstillend; harntreibend und schleimhautschützend |
Anwendung | bei Insektenstichen, Verbrennungen wie Sonnenbrand, Ausschlägen und Ekzemen und Wunden sowie Magen-Darm-Beschwerden, Husten, Bronchitis, Katarrhe der Atemwege und Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut |
Darreichung | getrocknet als Tee, Tinktur oder Sirup; frisch als Umschlag oder verarbeitet als Creme |
Unsere Rezeptecke
Spitzwegerich-Tee | 1-2 gehäufte Teelöff el getrocknete Spitzwegerich-Blätter in eine Tasse geben und mit 250 ml kochendem Wasser übergießen. Rund 10 Minuten abgedeckt ziehen lassen und danach abseihen. Bis zu drei Tassen am Tag in kleinen Schlucken trinken (ggf. mit etwas Honig süßen). Hilft bei Erkältungen und Husten, Halsschmerzen, Magen-DarmBeschwerden und Entzündungen in Mund und Rachen. Eignet sich abgekühlt auch als Spülung oder zum Gurgeln. |
Spitzwegerich-Hustensaft | Eine Handvoll frische Spitzwegerich-Blätter klein schneiden und mit insgesamt 200 g Zucker in ca. 1 cm hohen Schichten nacheinander in ein Schraubglas geben. Die einzelnen Schichten gut festdrücken. Mit einer Schicht Zucker enden. Glas gut verschließen und etwa drei Monate an einem dunklen und kühlen Ort ziehen lassen. Mit der Zeit verflüssigt sich der Zucker. Anschließend den Sirup in einen Topf geben und im Wasserbad vollständig verflüssigen (nicht kochen). Eine Zitrone auspressen und den Saft zum Sirup geben. Sirup abseihen, in ein Schraubglas abfüllen, danach kühl und dunkel lagern. Bei Husten oder Halsschmerzen bis zu dreimal täglich einen Esslöffel einnehmen. Der Sirup ist bis zu zwölf Monate lang haltbar. |
Spitzwegerich-Salbe | Zwei Handvoll frische Spitzwegerich-Blätter klein schneiden und in ein Schraubglas geben. Kraut mit rund 300 ml Olivenöl vollständig bedecken und Glas zugeschraubt drei Wochen an einem kühlen und dunklen Ort ziehen lassen. Regelmäßig schütteln. Anschließend abseihen und in einen kleinen Topf geben. Mischung nun im Wasserbad erwärmen (nicht kochen), ca. 30 g Bienenwachs (aus der Apotheke) hinzugeben und unter Rühren vollständig schmelzen lassen. Noch flüssig in einen Tiegel oder in ein anderes geeignetes Gefäß gießen und vollständig abkühlen lassen. Äußerlich aufgetragen hilft die Salbe bei Insektenstichen, Sonnenbrand, kleinen Wunden und Ekzemen, sie kann auch bei Neurodermitis Linderung verschaffen. Gut verschlossen und kühl aufbewahrt hält die Salbe bis zu zwei Jahre. |
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